Aldís Aude Thorvalddottír wurde an einem lauer Sommerabend des Jahres 830 n. Chr.
geboren. Ihre Mutter Mánadís, eine liebenswürdige, stille und kluge Frau
starb bei der Geburt, so daß ihr Vater Thorvald nun alleine zusehen
mußte, wie er fertig wurde. Thorvald schwor sich, keine andere Frau zu
nehmen, denn seine Heirat war eine Liebesheirat gewesen, was zu dieser
Zeit außergewöhnlich war.
Thorvald hatte einen großen
Hof, und einige recht gute Knechte und Mägde, so daß er sich keine
Sorgen machen mußte, wenn sein Weg in andere Herren Länder führte.
Thorvald besaß ein eigenes Schiff und verdiente sein Geld durch den
Handel mit allerlei Waren.
Manchmal mußte er, wie
andere Männer auch, zu den Waffen greifen, wenn der Jarl den Befehl dazu
gab. Das war in den Zeiten nun öfter der Fall, denn allzu oft gab es
Streit. Im Land war man sich alles andere als einig.
Nachdem
seine geliebte Frau bestattet war, übergab er die Schlüssel seiner
alten Mutter, die auch auf seinem Hof lebte. Sie hieß Lína und war eine
gestrenge Frau, die keine Fehler durchgehen ließ. Bei Lína war sein Hof
und sein einzigstes Kind, was diesen Hof erben sollte, in den
allerbesten Händen.
Jahre vergingen, und man schreibt
das Jahr 850 n. Chr. In Norwegen baute Harald Halvdanerson vom Oslofjord
sein Reich aus. Er würde der erste König werden, aber das interessiert
Aldís, die nun 20 Sommer zählt nicht.
„Kind, Du mußt
Dir doch merken, wie das geht ! Schließlich sollst Du diesen Hof hier
führen, wenn Dein Vater sich keine neue Frau sucht ! Du mußt doch eine
gute Hausfrau sein, und Deinem späterem Mann eine gute Frau sein. Aber
was machst Du ? Du bist nicht bei der Sache. Das wird noch einmal
gemacht, und keine Widerrede !“, schimpft Lína gerade. Das Mädchen wurde
von ihrem Vater masslos verzogen. In dem Moment tritt Thorvald ein. Er
bekommt alles mit und schweigt. Er lächelt über seinen Wildfang, denn er
wußte, dass Aldís lieber mit ihm auf die Jagd gehen, mit ihm an den
Waffen trainieren oder sich mit ihm im Spielen messen würde, statt hier
sich mit textilen Arbeiten oder kochen zu beschäftigen. Aber er wußte,
dass seine Mutter ihre Prinzipien hatte, und so zog er es vor, zu
schweigen.
Am Abend geht Thorvald mit seiner Mutter am
Ufer des nahegelegenen Waldsees spazieren. Kurzerhand wird von Lína
entschieden, daß Aldís nun alt genug ist, um die Verantwortung über den
Hof zu übernehmen, wenn Thorvald auf Reisen ist. Am nächsten Morgen
übergibt Lína ihrer Enkeltochter die Schlüssel. Sie wird von nun an nur
noch eine beratende Funktion haben, und sich fügen.
Nach
einer Weile ruft Harald Halvdanerson Thorvald auf, mit ihm in die
Schlacht zu ziehen. Thorvald nimmt einige Männer mit. Die Frauen wissen
nicht, dass sie ihre Männer beim Abschied das letzte Mal sehen werden.
Monate vergehen …
Håakon
Kiljanson, der beste Freund Thorvalds, reitet mit schnellem Tempo auf
den Hof Thorvalds. Er eilt zu Lína, die mit ihm zur Webstube eilt. Aldís
webt am Gewichtshochstuhl. Man sieht jetzt schon, dass der Stoff
besonders schön wird. Er soll für eine neue Tunika sein, denn Aldís
möchte ihrem Vater eine Freude mit einem neuen Festtagsgewand machen.
Håakon Kiljanson verneigt sich, Tränen stehen in seinen Augen, als er
nun die Botschaft des Todes von Thorvald, und sein Schwert überbringt.
Aldís
ist gefasst. Sie muß nun jetzt stark sein. Sie ist in ihrer
Verantwortung mittlerweile gewachsen und tut alles, um den Aufgaben
gerecht zu werden. Sie weiß, das jetzt das Wohl der Sippe, Ehre und Ruhm
von nun an von ihrem Tun abhängen.